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Thaipusam

Zum Ende des Januars wartete ein weiteres Fest auf. Neben der Mondfinsternis fand am 31. Januar dieses Jahr auch Thaipusam statt. Der Name des Fest splittet sich in zwei Teile auf. Das Fest wird immer am Vollmond des tamilischen Monats Thai zelebriert. Der zweite Teil des Namens bezieht sich auf den Stern Pusam, in der Zeit des Festivals seine höchste Position erreicht. Doch warum wird dieses Fest gefeiert? Der Grund liegt in der hinduistischen Mythologie. Ganz grundsätzlich wird jedoch die Geburt/der Geburtstag von Murugan gefeiert. Dieser kriegerische Gott besiegte die Dämonen und entschied den Kampf für die himmlischen Kräfte. Für aufmerksame Leser meines Blogs ist Murugan auch kein Unbekannter mehr. Die goldene Statue, die an den Batu Caves  zu finden ist, füllt den Hintergrund meines Blogs aus. Doch wir feierten Thaipusam nicht in KL, sondern in Penang.

Unser freier Tag begann sehr früh. Da die Gläubigen sich schon früh sich auf den Weg von Little India zu einem Tempel am anderen Ende der Stadt machen, war an ausschlafen nicht zu denken. Wir wollten miterleben, wie mutige (meist) Männer mit unzähligen Haken gepierct werden. Bei Sonnenaufgang trafen wir uns dann ganz in der Nähe von meinem Projekt. Doch noch bevor man etwas sah hörte man schon die Trommeln, die man auch bei hinduistischen Gottesdiensten vernehmen kann. Der Platz, der den Start des späteren Weges markierte, war gefüllt von Gläubigen, deren Freunde und Familie und eben Schaulustigen wie uns. Lange mussten wir nicht nach dem Spektakel suchen, denn es gab regelrecht Menschentrauben um die Gläubigen. Die Trommelmusik und der heilige Rauch hüllten den Platz in spirituelle Atmosphäre. Diese wurde nur durch die teils sehr respektlosen Zuschauer zerstört. Ich glaube ich habe selten so viele teure Fotoapparate auf einmal gesehen. Deren Besitzer scheuten sich nicht möglichst nahe an das Geschehen heranzugehen, ohne Rücksicht auf Mitmenschen oder Gegenstände. So wurden zahlreiche Opferaltäre, die mit Bananenblättern aufgebaut waren, Opfer fast schon mutwilliger Zerstörung. Zumindest in diesem Teil war es mir wieder unangenehm einer der typischen sensationsinteressierten Zuschauer zu sein. Doch wir versuchten nicht so zu sein und in die Atmosphäre einzutauchen. Was man dann sieht ist schwer in Worte zu fassen. Benebelte, meist junge Männer mit zahlreichen Piercings stehen im Mittelpunkt des Geschehens und lassen sich in Trance Haken durch die Haut stechen. Das geschieht alles auf freiwilliger Basis. Hoffentlich. An diesen Haken befinden sich oftmals Schmuckstücke oder Seile, die wahrscheinlich für einen dauerhaft ziehenden Schmerz sorgen. Hat man diese Prozedur hinter sich kommt der wahrscheinlich beeindruckendste Teil. Ein Metallstab, im Durchmesser geschätzt 10mm, wird durch die Wangen der ohnehin schon vermutlich leidenden Gläubigen gebohrt. Selbst einige Zuschauer können das nicht mitansehen, aber durch die Trance bleiben die Betroffenen eher ruhig. Ausgestattet mit unzähligen Haken und dem Metallstab geht es barfuß auf den Weg zum Waterfall Temple. Hier bekommt das Pilgern wohl eine ganz neue Bedeutung. Vor dem Fest dachten wir alle es würde sich um eine gemeinsame Reise, eine Art Umzug handeln. Doch uns wurde bewusst, dass jeder mehr oder weniger einzeln den mühseligen Weg bestreitet. Während der Großteil der Strecke relativ normal ist, sind die letzten Kilometer ein Hindernisparcours durch die Menschenmassen. Unsere Gruppe musste mehrmals warten, damit wir uns alle im Getümmel wiederfanden, um gemeinsam an dem Tempel anzukommen. Dieser liegt übrigens auf einem Berg. Als hätte man nicht schon genug abverlangt geht es dann bei sengender Hitze einige hundert Stufen aufwärts. Da der Andrang aber dermaßen groß ist steht man mehr als das man läuft. Das war wahrscheinlich auch der Grund wieso jeder leicht gerötet an der Pforte des Tempels ankam. Erwartungsgemäß war bei diesen Menschenmassen nicht an Ruhe und Spiritualität zu denken, sondern eher an Massenabfertigung. Für einen kurzen Moment sahen wir die kleine Statue, zu der zahlreiche Menschen Milch bringen. Diese wird dann über die Staue gegossen und soll vermutlich Glück bringen. Ehrlich gesagt bin ich in dieser Hinsicht nicht sehr gut informiert (worden). Nun da alle das Ziel erreicht hatten kam für die Gläubigen die Erlösung. Die Haken wurden entfernt und zu meiner Überraschung waren die Wunden sehr gering. Wir genossen aber lieber den tollen Ausblick über die Stadt. Nachdem wir wieder von der sehr schönen Tempelanlage herabgestiegen waren wollten wir etwas essen. Hier zeigte sich eine weitere schöne Facette des Festes: Die ganzen Straßenstände auf dem Weg zum Tempel boten freie Getränke und auch kostenloses Essen an. Diese unglaublich offene Art ist jedes Mal schön zu erleben. Neben Essen und Trinken konnte man sich auch für wenig Geld eine Glatze als Zeichen es Tributs rasieren lassen. Obwohl dieses Angebot vielleicht sehr verlockend klingen mag nahm es keiner aus unserer Gruppe an, wir ließen uns lieber vom Menschenstrom treiben. Während wir so durch die Straße liefen, begleitet von lauter indischer Musik und den Pilgern, kam mir mir immer wieder das Bild von Fasching in den Sinn. Es ist schwer zu beschreiben, aber das Gefühl als wäre man bei einem Faschingsumzug dabei blieb die ganze Zeit bei mir haften. Nur eben mit indischer Musik und Menschen mit Haken in ihrem Rücken. Dieses Fest war wohl bisher das mit Abstand beeindruckendste Erlebnis hier in Malaysia. Es ist sehr schwer in Worte auszudrücken wie wir dieses Fest erlebt haben, was wohl der Grund ist warum ich nicht mehr berichten kann. Für mich war es nicht nur spannend was passierte, sondern auch zu warum. Ich denke wir machen uns in der heutigen Zeit viel zu wenige Gedanken warum wir bestimmte Feste feiern. Weihnachten und Ostern sind den meisten wohl bekannt, aber wie sieht es beispielsweise aus mit Fasnacht? Die Frage wie es dazu kam und warum wir es feiern kann wahrscheinlich nicht von jedem beantwortet werden. Sollte es aber nicht irgendwie auch in unserer Verantwortung liegen zu wissen was wir feiern? Diese Gedanken haben mich auch noch nach dem Fest beschäftigt. Hiermit wünsche ich aber auch allen eine schöne Faschingszeit und ich hoffe, der heutige Umzug in meinem Heimatort war ein ebenso schönes Erlebnis.

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1 Kommentar

  1. Karin 4. Februar 2018

    Der Umzug war trotz Schneefall gut besucht und es waren viele Teilnehmer da. Sicherlich gehen heute einige auch in Trance nach Hause aber nicht aus dem gleichen Grund wie bei eurem Fest. So beeindruckend wie dein Erlebnis war unser Umzug sicherlich nicht. Das nächste Mal bist du hoffentlich wieder dabei. Damit Vögel Helau aus Schweinberg.???

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