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Satu Malaysia

Ich habe mir lange überlegt, ob ich ein politisches Thema in meinem Blog anscheinen möchte. Schließlich ist AFS eine NGO (Non-Governmental Organization), doch auch Politik gehört zu den Dingen, die mich seit Beginn meines Aufenthalts beschäftigt haben. Ich weiß immer noch nicht, ob es eine gute Idee ist, meine sehr subjektive Meinung über die politische Lage zu äußern, aber das dieser Beitrag erschienen ist, habe ich mich doch dazu durchgerungen.

Das Thema Politik von Malaysia war für mich in Deutschland eigentlich nie wirklich wichtig, bis es zur zweiten VB in Eschwege kam. Jeder von uns musste auf einer Vernissage ein Thema des Gastlandes vorstellen. Meines war das Regierungssystem meines Gastlandes. Doch bevorstehender Abiturient hat man nicht wirklich viel Zeit sich in dieses Thema einzulesen und die Thematik komplett zu erfassen. Für mich war zu diesem Zeitpunkt klar, dass es ein ähnliches System wie in Deutschland gibt und verschiedene Parteien. In Malaysia konnte ich dann aber viel tiefer in die Materie eintauchen. 

Der Titel dieses Beitrags „Satu Malaysia“ bedeutet so viel wie vereinigtes Malaysia oder ein Malaysia (unschwer an der eins zu erkennen). Satu Malaysia ist eine Art Credo, ein Motto eingeführt von dem Premierminister Najib Razak. Die Bedeutung dahinter ist wohl sehr leicht zu erschließen: Diese Mentalität soll die Harmonie zwischen den verschiedenen Ethnien und nationale Einheit stärken. Darum kann man die Eins mit der malaiischen Flagge als Hintergrund sehen: auf Lebensmitteln, Stadtbussen oder Pausenhöfen in Form von Kunst. Die Regierung hat hier ganze Arbeit geleistet.

Für mich war der Mix aus Malaien, Chinesen und Indern sicher auch einer der Gründe wieso ich Malaysia auf meine Länderliste geschrieben habe. Diese kulturelle Vielfalt gefällt mir sehr gut und man kann sie hoffentlich auch etwas über meinen Blog mitbekommen. Jeder typische Tourist wird auch sehr schnell merken, dass es hier etwas anders als in anderen südostasiatischen Ländern ist. Allein schon die Auswahl an Essen sollte jedem auffallen. Doch ich würde behaupten als Tourist geht es einem genau wie uns in der ersten Zeit. Ein bisschen hat man die rosarote Brille auf und sieht, wie unglaublich gut hier drei Kulturen praktisch nebeneinander leben. Es scheint so als würden kulturelle Unterschiede keine Unterschiede machen, wie man behandelt wird, doch leider muss ich diese Illusion zerstören; so schön ist es nicht. Ich spreche mich nicht frei davon genau das erlebt zu haben, was ich gerade beschrieben habe, doch irgendwann fängt man an nicht mehr wie ein Tourist zu sein und selbst mehr zu erfahren. Sicher war es bei mir so, dass ich ein sehr positives Bild von dem Zusammenleben hatte, weil einfach in meinem Projekt mir es so vorgelebt wurde. Chinesische, indische und malaiische Bewohner leben hier friedlich zusammen und keine kulturellen Streitigkeiten. Damit möchte ich nicht sagen, dass es im PCH immer ruhig zu geht, aber die Streitsituationen, die entstehen sind nicht von der Kultur abhängig. Nach gut einem Monat merkt man aber doch, dass es nicht alles so ist wie es scheint. Das mag auch an unserem Post Arrival Camp liegen. Auf diesem wurde uns erklärt, dass bei einem Wohnungsbau beispielsweise immer ein gewisser Anteil für Malaien reserviert sein muss. Auch spezielle Grundstücke können nicht von jedermann bebaut werden. Da fragt man sich schon warum es solche Gesetze in der Verfassung gibt, aber die Erklärung würde hier wohl den Rahmen sprengen. Tatsache ist, dass ich begann die ganze Satu Malaysia Thematik zu hinterfragen und mir wurde bewusst, wie wichtig dieses Programm für die Regierung ist. Die Menschen brauchen etwas woran sie glauben und wenn sie nur an ihre eigene Ethnie glauben, hat Malaysia eine gespaltene Gesellschaft. Das würde wohl auf kurz oder lang zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung führen und darauf hat wirklich niemand Lust. Doch so sehr auch auch von einem geeinten Malaysia gesprochen wird, einig und gleich sind wohl sehr wenige. Man stellt relativ schnell fest, dass die meisten Inder der unteren Gesellschaftsschicht angehören, während hohe politische Posten ausschließlich von Malaien besetzt sind. Natürlich gibt es hier auch Ausnahmen und das war nur eine Generalisierung, aber der Trend ist klar.

Eine gute Ausnahme ist Penang. Hier stellt derzeit die Oppositionspartei die Landesregierung und hat mit einem chinesischen Premierminister einen anderen Mann an der Macht als die Regierungspartei des Staates. Ich möchte einen kleinen Überblick über die drei wichtigsten Partei für dieses Beitrag oben. Barisan Nasional (BN) ist eigentlich eine Koalition aus 13 Parteien und regiert seit 1973 ununterbrochen in Malaysia. Bei der letzen Wahl vor fünf Jahren verlor die Koalition allerdings die wichtige Zweidrittel-Mehrheit, die für Verfassungsänderungen notwendig ist. DAP ist die aktuell regierende Partei in Penang. Sie war mit einer weiteren Partei in einer Oppositionskoalition gegen BN, jedoch zerbrach diese und die Parteien kämpfen nun alleine. Die letzte Partei die ich hier noch vorstellen möchte ist die Malaysian United Indigenous Party. Sie stellt mit Mahathir bin Mohamad den wohl größten Herausforderer für den Premierminister. Doch auch diese Partei ist alleine sehr eingeschränkt und so kämpft eine lockere Oppositionskoalition gegen BN.

Wahlkampf in Malaysia ist auch etwas anders als ich das von Deutschland gewohnt bin. Schon im Oktober letzten Jahres gingen die Politiker auf den Veranstaltungen auf Stimmenfang. Das ist in Deutschland auch so, aber man weiß eigentlich schon Monate vorher wann gewählt wird. Hier ist das etwas spontaner. Circa einen Monat vor der Wahl steht der genaue Termin fest und wir auch als nationaler Feiertag ausgerufen. So hatte ich heute frei und musste nicht arbeiten. Doch ab diesem Zeitpunkt dreht die Wahlkampfmaschinerie so richtig auf. Neben den üblichen Plakaten, die man aus Deutschland auch kennt werden Flaggen gehisst und zwar viele. Es ist schwer zu beschreiben wie viele Fahnen im Wind wehen, aber wenn man beispielsweise einen Zaun hat hängt dort Flagge an Flagge. Die Tatsache, dass diese Fahnen ja eigentlich nur alle fünf Jahre gebraucht werden macht die ganze Thematik noch etwas verblüffender. Egal in welchen Winkel der Stadt man fährt, blaue, grüne oder rote Fahnen hängen überall doppelt und dreifach teils auch übereinander. Das ist tatsächlich anders als in Deutschland, wo maximal mit größeren Plakatwänden geprotzt wird. Ob das etwas nützt kann ich wohl erst morgen sagen.

Der Grund warum die GE14 (General Election Nr. 14) so wichtig für Malaysia ist möchte ich noch für einen kurzen Moment zurückstellen. Heute wird in Malaysia nicht nur die Staatsregierung gewählt. Nein, die Landesregierung ist auch gleich mit an der Reihe. So kann in nur einer Nacht das ganze Land politisch umgekrempelt werden. Da es meine erste Wahl außerhalb Deutschlands ist und es hier eben um sehr viel geht ist dieses Ereignis für mich auch sehr spannend. Doch warum ist nun diese Wahl so wichtig? Die Politik in Malaysia ist immer noch sehr stark von Korruptionsskandalen betroffen und die Führungsperson geht hier auch nicht mit weißer Weste voran. Vor kurzem wurde der malaiische Premierminister vom Time Magazine zu zweitkorruptesten Mann der Welt gewählt. Der Grund dafür ist sehr einfach: Auf dem privaten Konto des Regierungschefs befinden sich 681 Millionen US$, die er aus einem staatlichen Fond entnommen haben soll, als dieser anfing Verluste zu machen. Die offizielle Version berichtet von einer Schenkung des saudischen Königshaus und die Summe wurde in den Fond eingezahlt. Wie weit diese Erklärung nun an die Wahrheit reicht kann ich nicht herausfinden, aber auch durch diesen Vorfall sind die Menschen in den Städten für einen Wechsel an der Spitze. Die Bevölkerung, die auch mit fake news und Zensur leben muss, hat aber auch einen ländlichen Anteil. Dieser ist mehrheitlich für BN und Najib Razak. Aus diesem Grund erklärte der frühere Premierminister Mahathir bin Mohamad seine erneute Kandidatur an und das mit 92 Jahren. Laut seinen Aussagen muss das Land eine Änderung erfahren und er sieht sich in der Lage, dies herbei zu führen. Interessant ist die Tatsache, dass Mahathir bin Mohamad erst den Weg für Najib Razak geebnet hat und sich die Malaien nun in einem Interessenskonflikt befinden. Sollen ihren Premierminister wieder wählen oder seinen Förderer, der verspricht das Land wieder in alten Glanz zu bringen. Heute ist wohl der wichtigste Tag für Malaysia in dem ganzen Jahr, in dem ich hier bin. Alle sind angespannt und wissen nicht, ob BN nochmal für fünf Jahre regieren wird. Aus Angst vor Ausschreitungen haben sich auch schon viele Menschen Vorräte für die nächsten Tage gekauft. AFS sowie mein Projekt hat mir geraten am heutigen Tag nicht aus meinem Projekt zu gehen und auch was der Tag morgen bringen wird ist ungewiss. Niemand weiß so wirklich was passieren wird, aber wie schon oben erwähnt: Das ganze Land kann in einer Nacht politisch umgekrempelt werden. Ob es dazu kommt werde ich wohl morgen erfahren.

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