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Holi

Nach den kalten Wintermonaten erwacht die Natur wieder zu neuem Leben und der Frühling beginnt. Zumindest kenne ich das so von Deutschland. Bei 30°C im Schatten habe ich jedoch jegliches Gefühl für die Jahreszeiten verloren und man kann nur erahnen wie es wohl in meinem Heimatland nun gerade ist. Auch Freiwillige, die aus England das Cheshire Home besuchen sind von der Hitze überwältigt. Wortwörtlich. Auch wenn meine meteorologischen Kenntnisse gering sind würde ich behaupten, dass nun seit einiger Zeit so etwas wie Trockenzeit herrscht. Doch wie schon gesagt, der Frühling steht vor der Tür. Zu diesem Anlass gibt es ein hinduistisches Fest, welches auch mittlerweile in Deutschland an Popularität gewinnt: das Holi Fest. Die Ursprünge liegen im hinduistischen Glauben und vor allem in Indien erfreut sich dieses Fest der Farben großer Beliebtheit. Die Nachricht, dass auch in Penang ein Holi-Festival stattfinden würde war da natürlich sehr willkommen für uns Freiwillige. Ein großer Vorteil war, wie sich später noch herausstellen sollte, die Nähe zu meinem Projekt. Doch von Anfang an.

Da nächste Woche das größte Event des Jahres für das Penang Cheshire Home ansteht, hieß es für mich an diesem Samstag arbeiten. Über Stunden sortierte ich Namensschilder für unsere Bewohner, uns Betreuer und die anderen Teilnehmer. Eine doch sehr bürokratische Aufgabe für meine Arbeitsverhältnisse hier. Mehr darüber gibt es aber nächste Woche in einem extra Beitrag. Nach einem Vormittag in dem gut gekühlten Office und Mittagessen machte ich mich fertig für das Festival. Die Frage was man denn mitnehmen würde war hier auf jeden Fall sehr schwer. Zum einen möchte man ja das Event irgendwie mit Bildern festhalten und auch etwas zum Trinken dabei haben. Zum anderen war mir aber auch bewusst was die Hauptbeschäftigung während des Festes ist und ich wollte meine Kamera nicht mit die die Wasser-Staub-Menge mitnehmen. Mit einer Trinkflasche in meinem Beutel ging es dann zu Padang Polo, wo das Festival seit 10 Uhr lief. Der Park, der mehr eine offene Rasenfläche ist, war bei meinem ersten Anblick leer. Ich hatte eigentlich mit einer großen Menschenansammlung gerechnet, die mindestens die Hälfte des drei fußballgroßen Platzes einnimmt, doch davon war nichts zu sehen. Das Einzige was ich wahrnahm, war die Musik, die vom hinteren Teil des Feldes kam. Je näher man dem Ort des Geschehens kam, desto farbiger wurden die Menschen, die einem entgegenkamen. Am Ort des Geschehens angekommen musste ich feststellen, dass es sich doch um eine etwas kleinere Veranstaltung handelt als erwartet. Der Grund dafür könnte sein, dass es das erste Mal war, dass so etwas in Penang organisiert wurde. Doch von einer Premiere war nichts zu spüren. Im positiven Sinn. Es handelte sich nicht um ein eher improvisiertes Fest, sondern um eine rundum organisiere Veranstaltung. Einziger Kritikpunk könnte fehlende Sicherheitskontrollen sein, aber das war uns in diesem Moment egal. Das Wichtigste war für uns „Munition“ zu kaufen. Ausgestattet mit drei Farbbeutel für 2€ ging es in die Menschenmenge. Hier offenbarte sich mir ein Bild was ich mir von Deutschland auch wünschen würde. Bunte gefärbte Menschen tanzen freudig zur Musik. Wie ich weiter oben schon kurz erwähnt hatte, finden Holi-Festivals immer mehr Einzug in Deutschland. Ehrlich gesagt habe ich es bisher nicht geschafft auf ein solches Event in Deutschland zu gehen, aber verglichen mit hier bin ich auch nicht sehr traurig darüber. Das Holi Fest ist eines der ältesten hinduistischen Feste und wird trotz unserer modernen Zeit immer noch sehr traditionell gefeiert. Vor allem in Indien. An diesem Tag scheint es, als ob die Kasten aufgehoben sind und es keinen Unterschied zwischen den Einzelnen gibt. Auch das Farbpulver wird vor dem Fest geweiht und nicht einfach so bedeutungslos in die Luft geworfen. Das ist aber zumindest meine Vorstellung, wie es in Deutschland abläuft. Zwar wird in Indien zu dieser Zeit auch ein Rauschmittel zu konsumieren, aber so war es bei uns nicht. Wir tanzten alle ausgelassen zu indischer Musik und es störte sich keiner an unserer Anwesenheit. Das war etwas was meiner Erfahrung nach in Deutschland eher selten zu finden ist. Irgendwo gibt es bei einem Fest immer Bier und mit zunehmender Dauer findet man dank des Alkohols auch immer mehr ausgelassen feiernde Menschen. Das so etwas nicht nötig ist zeigte das Holi Fest uns auf eine sehr angenehme Art. Doch nicht das Tanzen sondern die Farbe stellt den Wiedererkennungswert von Holi dar. Anfangs war es noch etwas seltsam einfach so sein Farbpulver auf wildfremde Menschen zu werfen, doch mit steigendem Eigenfarbanteil verlor sich diese Scheu. Auch wenn hier die spirituelle Bedeutung von Holi nicht ganz zu spüren war, konnten wir wertvolle Erfahrung sammeln. Trotz der Wolken aus Farbpulver wollte ich wenigstens eine kleine Erinnerung haben und entschied mich dafür mein Smartphone zu zücken. Trotz fehlender Staub- und Wasserschutz-Zertifizierung überlebte das sensible Gerät die Minuten in der Menge und so entstand auch dieses Gruppenbild von uns. Ich glaube man sieht dass wir mittendrin statt nur dabei waren. Doch was so schön auf Bildern und auf dem Fest aussieht verändert sich mit zunehmender Distanz des Festivals. Wie soll man jemals wieder sauber werden und seine bunte Kleidung in Normalzustand bringen. Bunt wie ein Mandala liefen wir durch die Straßen und ich war froh, dass wir kein Uber brauchten um zu unserem Projekt zu kommen. Dort war das Erstaunen groß. Hatte man uns doch nicht wirklich zugetraut so bunt zu erscheinen wurde man auf jeden Fall zu einer Art Attraktion. Doch da wir noch indisch essen gehen wollten war die Dusche ein veritabler Grund sich auf das Zimmer zurück zu ziehen. Wie befürchtet war das mit der Farbe gar nicht so einfach. Klar entfernte sich der Großteil der Farbe aber an einigen Stellen, an denen das Lila nicht abgehen wollte sah man aus, als hätte man eine Schlägerei hautnah miterlebt. Das größere Problem stellte aber tatsächlich die Kleidung dar. Auch nach insgesamt drei Waschgängen befindet sich immer noch Farbstoff in der Baumwolle des T-Shirts. Wahrscheinlich werde ich dies nie komplett sauber bekommen, aber es ist auf jeden Fall eine schöne Erinnerung an einen tollen Nachmittag. Den Abend ließen wir dann ebenfalls indisch ausklingen mit einem Buffet beim Temple of Fine Arts. Das komplett vegetarische Essen wird dort auf Spendenbasis serviert. Das bedeutet man zahlt so viel man möchte. Auch hier habe ich mir gedacht, dass so etwas in Deutschland wahrscheinlich eher ausgenutzt werden würde, aber hier scheint es zu funktionieren.

So habe ich an einem Tag zwei positive Erfahrungen gemacht, die ich mir für Deutschland auch wünschen würde und hoffe, dass eventuell auch dieser Beitrag etwas zum Nachdenke über eigene Verhaltensmuster anregt. Ganz grundsätzlich ist es jedes Mal aufs Neue spannend solche Feste mitzuerleben und Parallelen zu ziehen. Egal ob Indisch, Malay oder Chinesisch, jede Volksgruppe hat eine andere Art und deshalb bin ich auch sehr froh in Penang alles davon erleben zu dürfen.

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