Es gibt vier Zeiten im Jahr, an denen das sonst lockere Arbeitsleben im Home rege Geschäftigkeit annimmt. Das ist der Foster Parents Day, das Christmas Caroling, Chinese New Year und das Penang Cheshire Agoonoree. Letzteres findet dieses Wochenende statt. Viele werden sich jetzt wohl die gleiche Frage stellen wie ich damals als ich das erste mal von diesem Begriff hörte. Was ist dieses Agoonoree? Es handelt sich hierbei um eine Art Zeltlager für Menschen mit Behinderung. Mein Projekt übernimmt hierbei die Planung und Leitung des Ausflugs. Daher rührt auch der Großteil des Namens. Dieses Jahr ist das Penang Cheshire Home mit einigen weiteren Projekten in den Cameron Highlands. Doch zelten wir nicht auf einem Zeltplatz sondern bewohnen ein Hotel mit Apartments. Unterstützt werden wir dabei von Scouts (Pfadfindern), die auch von Penang kommen.
Die Vorbereitung dieses Ausflugs war schon Anfang des Jahres bemerkbar, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch wenig Gedanken darüber machte. Doch mit je näher das Event rückte, desto mehr wurde ich auch in die Planungen einbezogen. Während ich letztes Wochenende noch mit den Namensschildern beschäftigt war, kam diese Woche auch noch der Auftrag einen Film aus den Fotos der letzen Jahre zu erstellen. Doch nicht nur in dieser Hinsicht wurde mir mehr Verantwortung übertragen. Ich bin in den vier Tagen auch für einen der zehn Räume mit samt Bewohnern zuständig.
Das Agoonoree startete samstags mit einer opening ceremony um 8 Uhr. Da noch alles aufgebaut werden musste und die Bewohner ihre Sachen zum Transport bringen mussten war frühes Aufstehen angesagt. Da ich beauftragt wurde während des Camps auch noch Fotos zu machen war mein Rucksack schon alleine halb von Technik gefüllt. Ungeachtet dessen brachte ich dann mein eigenes Bagpack-Tag an meinen Rucksack an und ausgerüstet mit meinem Name-Tag konnte der Tag beginnen. Die Eröffnungsfeier, die eigentlich aus zwei Reden bestand war recht schnell beendet und nach einem gemeinsamen Frühstück ging es in einen der drei Busse. Je nachdem welche Farbe das Tag hat. Die Cameron Highlands liegen ca. 300 Kilometer von Penang entfernt. Um die Bewohner nicht zu lange im Bus zu halten und auch keine Langeweile aufkommen zu lassen legten wir nach ca. einem Drittel der Strecke einen Stop ein. Das war jedoch keine einfache Tankstelle oder ein Rasthof, sondern eine Entenfarm. Dort gab es zu allererst Lunch, wie man es auch erwarten könnte. Glücklicherweise bin ich nicht der einzige Vegetarier auf der Reise, sodass auch daran gedacht wurde. Nach dem Essen gab es dann einen Besuch auf der Farm. Stilecht ging es mit Traktor und Anhänger zu dem Gehege. Im Schatten von Palmen lagen hunderte Enten, die nur darauf warteten von unseren Bewohnern gefüttert zu werden. Das war jedoch nicht mal das Highlight, denn es gab auch die Möglichkeit Kücken auf der eigenen Hand zu streicheln. Eine Gelegenheit, die sich viele Bewohner nicht entgehen ließen. Nach dieser Sensation ging es wieder in den Bus und auf die Autobahn. Das letzte Stück zu den Cameron Highlands wird aber von einer einzigen kurvenreichen Straße bestimmt. Dort ist kaum ein Mensch zu sehen und bis auf einzelne Straßenstände hat man wirklich das Gefühl alleine zu sein. Dann durchquert man jedoch eine Felsformation, wo hollywoodähnliche Letter darauf hinweisen, dass man nun in den Cameron Highlands ist. Mein erster Eindruck war: Wow! und zwar in doppelter Hinsicht. Während wir zuvor mindestens eine Stunde durch Niemandsland gefahren waren tat sich hier eine ganz andere Welt auf. Die vielen Gewächshäuser gaben mir den Eindruck als sei hier eine neue Forschungsstation oder Überlebensquartier entstanden und trotzt den widrigen Umständen. Auf der anderen Seite dachte ich: Wow so viel Plastik, denn die Gewächshäuser bestehen aus Kunststoff und stellen so einen krassen Kontrast zur Natur dar. Ebenfalls kontrastreich ist der Verkehr, denn auf der einspurigen Hauptstraße gibt es regelmäßig Stau, der sich nur langsam auflöst. Schuld daran sind Straßenstände in den Städten.
Nach dieser Busfahrt stiegen wir an unserem Hotel aus und es war als wäre es Herbst. Mit 19°C und nebligem Himmel hatte ich wirklich das Gefühl in Deutschland zu sein. Es war wirklich das erste Mal in Malaysia das es einen veritablen Moment gab um eine Jacke oder einen Pullover zu tragen. Es fiel mir schwer zu glauben, dass man solch unterschiedliche Vegetation und klimatische Bedingungen findet, wenn man nur knapp 1000m aufwärts fährt. Doch zum Bestaunen der Umgebung war wenig Zeit. Es war ja schon fast wieder Zeit für das Dinner also erstmal sich stärken. Danach ging es in unsere Zimmer und für mich nahm die Verantwortlichkeit zu. Auf einmal musste ich entscheiden, wer mit wem in welchem Raum schläft. Das klingt erstmal banal und einfach, aber es handelt sich hier nicht um Kinder, sondern um erwachsene Menschen, die auf einen zwanzigjährigen Freiwilligen hören müssen. Normalerweise habe ich im Home nie Autoritätsprobleme, aber hier war die Sprachbarriere und das mentale Handicap einiger Bewohner doch eine Herausforderung. Nachdem die Verteilung geklärt war stattete ich das Zimmer noch mit Snacks, Mülleimern und Toilettenartikeln aus, damit die Bewohner unbesorgt ihre Routine durchführen können. Ausgestattet und eingerichtet ging es zum Abschluss des Tages auf den Pasar Malam, den Nachtmarkt. Dort wurde nochmals etwas zu essen gekauft, um den eventuell aufkommenden Hunger keine Chance zu geben. Was für die Teilnehmer ein kleines Vergnügen ist, stellt die Betreuer vor die Aufgabe immer wachsam zu sein, dass keiner sich einfach überlegt einen anderen Weg einzuschlagen oder irgendwo in der Menge unterzutauchen, was dort etwas vermeintlich interessantes ist. Doch wohlbehalten und geschafft von der Reise kehrten wir in unser Hotel zurück. Dort musste dann Überzeugungsarbeit geleistet werden, dass es um 22:30 Uhr doch schon Zeit für das Bett ist. Glücklicherweise wurde ich von meinen Scouts unterstützt, da mein Englisch nicht wirklich ankam. 30 Minuten später war es dann geschafft und ich konnte mit auch schlafen wohlwissend, dass ich um 5 Uhr wieder aufstehen muss.
Doch bis fünf konnte ich nicht schlafen, da um 3 Uhr meine Hilfe gebraucht wurde. Ab 5 Uhr war dann meine Aufgabe, die Bewohner aufzuwecken, deren Windeln zu wechseln und zu duschen. Die zweieinhalb Stunden bis zum Frühstück waren damit auch gut ausgefüllt und ich war froh als jeder mit dem richtigen T-Shirt, mit der passenden Hose und den gewünschten Schuhen fertig in der Tür stand. Nach einem reichhaltigen Frühstück ging es mit dem Bus wieder los. Da die Beförderung der Rollstuhlfahrer immer eine gewisse Zeit beansprucht, entschied ich mich kurzerhand einige Bewohner einfach zu ihrem Sitzplatz zu tragen, anstatt fünf Minuten zu warten. Diese Aktion war so effizient, dass es nun ein Standard während des Tages geworden ist. Da eben auch für verhältnismäßig kleine Strecken der Bus gebraucht wird ersparen wir uns so deutlich Wartezeit. Trotz des immer noch regnerischen Oktoberwetters ging es zu einer Bienenfarm, auf der man auch unterschiedliche Sorten von Honig probieren konnte. Ich kann nur sagen, der Lime Honey schmeckt super. Doch leider war das Areal nicht für Menschen im Rollstuhl ausgelegt, weswegen ich den Vormittag damit verbracht hauptsächlich Rolstuhlfahrer zu unterhalten. Mit dem Mittagessen ging es dann auch für die fast 100 köpfige Gruppe weiter zu einer Schmetterlingsfarm, die jedoch nicht mit der von Penang mithalten konnte. Da der Nachmittag aber weiterhin regnerisch ablief und wieder Stau herrschte, spielten wir ein Quiz in unserem Hotel. Auch wenn diese Aktionen nicht sonderlich anstrengend wirken mögen, die Kombination aus Fotos machen, Bewohner zu den Orten zu bringen und das Aufpassen machen den Tag doch sehr kräftezehrend. So freue ich auf den Abend.
Das wollte ich eigentlich schreiben und damit meinen Beitrag zum Schluss führen, doch dazu kam es nicht. Stattdessen wurde ich gerufen, weil einer der Bewohner einen epileptischen Anfall hatte. Also nichts mit früh schlafen gehen, sondern bis um 2 Uhr im Krankenhaus verbringen. Naja eine etwas andere Abendgestaltung, aber so ist das halt nun mal.
Karin 19. März 2018
Kein gewöhnlicher Ausflug – Da war ja ganzer Einsatz gefragt. Nicht nur körperlich sondern auch geistig. Wir hoffen, wir bekommen noch schöne Bilder oder auch den Film zu sehen.